Grußwort von Walter Menzel
So wie heute an manchen Orten um den Bau einer neuen Straßenverbindung gekämpft wird, hatte man am Ende des 19. Jahrhunderts über 20 Jahre mit dem preußischen Staat um die Genehmigung zum Bau dieser Eisenbahn gerungen. Nach ihrer Fertigstellung verband sie zahlreiche Orte im westlichen Teil der Provinz Mark Brandenburg mit fünf von Berlin ausgehenden Hauptbahnen. Die Baukosten – rund 10 Millionen Mark – brachten Kreise und Städte, die Baufirma und die Provinz zu annähernd gleichen Teilen auf. Die Landkreise stellten den benötigten Grund und Boden unentgeltlich zur Verfügung. Nach der Eröffnung der Brandenburgischen Städtebahn begann der Verkehr vergleichsweise bescheiden. jedoch die 1929 anlässlich des 25-jährigen Bestehens gehaltene Rückschau resümierte unumwunden, dass die Wirtschaft eines ganzen Landstriches konkurrenzfähig geworden war. Die Brandenburgische Städtebahn war eine der bedeutendsten Privatbahnen Deutschlands und zur größten der Mark geworden.
Es handelte sich nicht um eine der zahlreichen typisch preußischen Sekundärbahnen mit spartanischer Ausstattung und vereinfachter Betriebsführung, sondern um eine Nebenbahn nach der Eisenbahnbau- und Betriebsordnung. Wie alle bedeutenden Eisenbahnen war der Güterverkehr die Haupt-Einnahmequelle. Die Möglichkeiten des Transports und die Ansiedlung von Unternehmen steigerten sich gegenseitig.
Im südlichen und nördlichen Abschnitt der Bahn, wo Land- und Forstwirtschaft vorherrschend waren, hatten sich besonders in den Kleinstädten zahlreiche neue Handwerks- und Kleinbetriebe gebildet. Neben den Agrarerzeugnissen wurden ländliche Bedarfsartikel, Mauer- und Dachsteine, Schnittholz sowie Gärtnereiprodukte hergestellt und vertrieben. Besonders hervorgehoben wurde der lebhafte Versand landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus dem Raum Niemegk in Richtung Berlin. Für den Verkehr zwischen Brandenburg und Rathenow war die vor und während des Krieges aufgebaute Industrie von größter Bedeutung: Das stärkste Frachtaufkommen brachte das Brandenburger Stahlwerk, gefolgt von den Chemiewerken in Gapel und Premnitz. Neben dem Güterverkehr für die Kunstseidenproduktion gab es dort auch einen erheblichen Arbeiterberufsverkehr. Ermöglicht wurde das durch die zahlreichen Anschlussgleise, wo die Güterwagen be- und entladen wurden. Die meisten Anschlussgleise befanden sich im Stadtgebiet von Brandenburg. Durchgehende Güterzüge wurden von Brandenburg aus bis Anfang der 90-er Jahre abgefertigt. Hier stellte die Brandenburgische Städtebahn kurze Wege zwischen dem mitteldeutschen Industriegebiet und dem Westteil der Mark Brandenburg sowie darüber hinaus bis nach Mecklenburg her.
Landschaftlich ist der Streckenabschnitt Belzig – Brandenburg am schönsten: Belzig liegt im Fläming. Die Bahnstrecke schlängelt sich bis Fredersdorf von der Höhe hinab. Dann geht es durch Wiesen, Felder und Wälder am Rande der Zauche entlang im Tal von Temnitz und Plane. Nur wenige Kilometer weiter westlich, an der Nähe der Ortschaft Weitzgrund, befand sich einst der „Mittelpunkt der DDR“.
Bemerkenswert sind die Bahnhofs-Gebäude der Brandenburgischen Städtebahn: der größte Teil geht auf drei Typenbauten zurück. Die kleineren sind in Fachwerkbauweise, alle aus heimischen Klinkersteinen errichtet. Golzow hat eines der schönsten Empfangsgebäude (nur Rhinow ist noch schöner), in Lütte entstand später ein Gebäude im typischen Stil der 30-er Jahre. Viele Zufahrtsstraßen zu den Bahnhöfen sind noch gut zu erkennen. Es sind Alleen, meist mit Kastanien bestanden, und mit gelben Klinkern gepflastert.